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Woher weiß ich, was mir gut tut?

 

Gerade in den letzten Wochen habe ich mich vermehrt mit der Frage beschäftigt, was mir gut tut. Zum einen aus der persönlichen Notwendigkeit heraus, zum anderen weil diese Frage auch in meiner Praxis immer wieder vorkommt. Woher weiß ich denn, was mir gut tut? 

 

Grundsätzlich ist es ein recht einfacher und lapidar dahin gesagter Input einfach zu tun, was gut tut. Problematisch wird es jedoch, wenn nicht gewusst wird was das denn nun sei. Viel zu oft sind wir dermaßen sozialisiert, dass es darum geht Wünsche zu erfüllen, sich anzupassen und außenorientiert zu agieren. Viele Menschen verlieren den Kontakt zur eigenen Befindlichkeit und zum eigenen Spüren, was sich gut anfühlt. Und genau hier ist der Ansatzpunkt um den es geht: über die Fühl- und Spürebene zu sich selber zu finden!

 

Gerade in psychotherapeutischen Herangehensweisen kommt das körperliche Wahrnehmen oftmals zu kurz. Es wird reflektiert: nach vorne, nach hinten, in alle Richtungen um sich womöglich dann doch wieder mit den Gedanken im Kreise zu drehen. So geht es nicht weiter, so stehen wir üblicherweise sogar an. Meine persönliche Erfahrung - beruflich als auch privat - ist es jedoch mit dem eigenen Kontakt aufzunehmen und hinzuspüren, was sich denn nun gut anfühlt und mehr ins Wahrnehmen zu kommen. 

 

Wie macht man das denn nun aber? Grundsätzlich haben wir alle diese Fähigkeit mitbekommen, oftmals aber im Laufe der Zeit abgelegt. Das impliziert aber gleichzeitig, dass wir wieder zurückfinden können zu diesem Spüren. Ein ganz einfacher und leicht umzusetzender Ansatz ist es, immer wieder im Laufe des Tages wahrzunehmen: wie geht es mir gerade? Bin ich müde, bin ich zufrieden, oder bin ich vielleicht einfach genervt? Bin ich körperlich angespannt? Wie verläuft mein Atem? Kann ich spüren, wie ich auf meinem Sessel sitze oder beim Gehen den Kontakt mit dem Boden wahrnehmen?

 

Es sind also die ganz alltäglichen Tätigkeiten, die uns mit uns selber in Kontakt bringen. Heute hat das oft das Etikett der "Achtsamkeit" umgehängt, was aber letztlich nur bedeutet dass unsere Aufmerksamkeit im Jetzt auf das momentane Tun gerichtet sein soll bzw. es hilfreiche wäre dermaßen vorzugehen. Die Begrifflichkeit der Achtsamkeit(spraxis) wird zugegebenermaßen in den letzten Jahren sehr gehypt und oft aus dem Kontext des tatsächlichen Verständnisses herausgespalten. Dennoch ist der Ansatz ein sehr hilfreicher, da wir darüber wieder vermehrt mit uns in Kontakt treten können und das Spüren des eigenen praktizieren und üben können.

 

Dementsprechend ist das Ziel wohl zu formulieren als "es ist gut zu wissen, womit ich gerade beschäftigt bin". Sei dies im faktischen Tun oder auf der gedanklichen Ebene. Weil gerade auf der Ebene sind wir oftmals fernab unseres tatsächlichen Aufenthaltsortes.

 

 

 

Über Beziehungen und (wichtige) Kontakte

 

 

 

Mit wem oder womit verbringen wir eigentlich unsere Zeit? Grundsätzlich ist es wohl so, dass der Durchschnittsbürger einer Arbeit nachkommt und somit den Großteil seiner Lebenszeit - zumindest ab einem gewissen Alter - mit Kollegen, Chefs und Kontakten aus der Arbeit verbringt. Je mehr Bedeutung und Gewicht dem Arbeitsfeld zugesprochen wird, umso mehr Fokus bekommt auch dieser Bereich. Forderungen des Arbeitgebers, grundsätzliche gesellschaftspolitische Probleme wie das "gefühlte mögliche Verlieren" des Arbeitsplatzes als auch der persönliche Anspruch an sich selber führen dazu, dass immer mehr Energie in das Arbeitsfeld gesteckt wird und persönliche Beziehungen hintenan gestellt werden.

 

Soll das tatsächlich so sein? In der Erforschung von Burn-out-Erkrankungen und Erschöpfungsdepression gibt es vielerorts die Theorie, dass das Hauptproblem weniger in dem Zuviel von Arbeit sondern eher in dem Zuwenig von Beziehung zu suchen und zu finden ist. Tatsächlich ist eine Überbetonung des Arbeitslebens ein wesentlicher Faktor, der dazu führt sich aus persönlichen Beziehungen zurückzuziehen, weniger Zeit und Energie zur Verfügung zu haben, um mit den Menschen zusammen zu kommen, die einem doch viel mehr am Herzen liegen (sollten) als die beruflichen Kontakte.

 

Vielerorts ist es gang und gäbe die Betonung auf die Arbeit als Hinweis für die persönliche Bedeutung zu reüssieren. Selbstwert wird vor allem von Männern über ihre berufliche Situation, ihren Status und Vermögen konstatiert. In den letzten Jahren jedoch - auch über die zunehmende Emanzipation der Frau - wird jedoch auch vom weiblichen Geschlecht mehr und mehr Bedeutung in den Bereich des Berufs und der beruflichen Selbstverwirklichung gelegt. 

 

Der Weg ist jedoch einsam. Berufliche Kontakte gehen oft nicht in die Tiefe. Sie bleiben oberflächlich und berühren nur die Ebene von Kosten-Nutzen-Rechnungen: Gibst du mir so geb ich dir. Absprachen und Handel - ausgesprochen oder unausgesprochen - sind oftmals Grundlage dieser Kontakte und somit bleibt die Begegnung ohne Tiefe. 

Diese Form von Kontakt und Begegnung hat einen wesentlichen Mangel: Ich sehe den anderen in seinem Wesen nicht. Der Mensch möchte wahrgenommen und gesehen werden, um sich in der Begegnung mit anderen selber begegnen zu können. Dies ist ein wesentliches Kernstück der existenzanalytischen psychotherapeutischen Arbeit und Philosophie. 

 

Aus diesem Grund ist es mir ein wesentliches Anliegen zum einen in meinen privaten und beruflichen Kontakten immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir Menschen dialogisch funktionieren. Oder um es mit Martin Buber zu sagen: "Alles wirkliche Leben ist Begegnung."